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Die Klima-Panik kommt nicht nur politisch unter Druck, es gibt auch wissenschaftliche Argumente dagegen. Warum eine Studie zur Empfindlichkeit des Klimas gegenüber Kohlendioxid und Sonnenaktivität doppelt unbequem werden könnte.
In unserer an kurzlebigen Märchen, Mythen und Metaphern nicht gerade armen Zeit halten sich zwei Legenden besonders hartnäckig. Die Legende von der Unumstößlichkeit der Erkenntnisse über den Klimawandel und die von der Unterdrückung kritischer Stimmen zur Klimaforschung.
Der Physiker Frank Stefani vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf hat am 3. November 2021 in der Fachzeitschrift Climate eine Studie veröffentlicht, die beide Legenden ins Wanken bringen könnte.
Zahlreiche Bildungsbürger außerhalb des Wissenschaftssystems machen von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch, indem sie vermeintliche Widerlegungen der Theorie vom menschengemachten Klimawandel in die Öffentlichkeit tragen. Um innerwissenschaftliche Qualitätskontrolle – im Fachjargon Peer-Review genannt – machen sie meistens einen Bogen. Sie glauben, die Publikation kritischer Stimmen würde systematisch verhindert.
Stefani ist nicht Hobbyklimatologe, sondern akademisches Schwergewicht. Dem Ehrenkodex seiner Zunft folgend, unterzieht er sich stets dem harten Peer-Review. Stefani genießt in seinem Fach einen tadellosen internationalen Ruf. Er hat im Jahr 1999 mit seiner Schlüsselrolle im Rigaer Dynamoexperiment Weltruhm erlangt. Auf seinem Spezialgebiet Magnetohydrodynamik gilt er als Koryphäe. Als Träger des renommierten ERC-Preises des europäischen Forschungsrates gehört er zur Gelehrtenelite. Trotz seiner Meriten blieb ihm die Auseinandersetzung mit anonymen Gutachtern nicht erspart. Zu guter Letzt ist seine Arbeit „Solar and Anthropogenic Influences on Climate: Regression Analysis and Tentative Predictions“ erschienen und könnte grundlegende Erkenntnisse der Klimaforschung infrage stellen. Dass die Arbeit veröffentlicht wurde, dürfte die These von der unterdrückten Kritikerstimme ins Wanken bringen. Doch worum geht es eigentlich in der Arbeit?
Seit langem ist bekannt, dass die Erwärmung der Erdatmosphäre von zwei Effekten angetrieben wird – der Sonnenaktivität und der CO2-Konzentration. Stefanis Studie beschäftigt sich mit dem bekannten Problem, welcher Anteil des Temperaturanstiegs auf die Treibhauswirkung des CO2 und welcher Anteil auf Variationen der Sonnenaktivität zurückzuführen ist. Letzterer wird häufig mit Verweis auf die geringe Variabilität der einfallenden Gesamtstrahlung der Sonne als vernachlässigbar eingeschätzt. Die Strahlung ändert sich während des elfjährigen Sonnenzyklus nämlich nur um 0,1 Prozent. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn der um mehr als 5 Prozent schwankende Ultraviolett-Anteil der Sonnenstrahlung auf die Ozonschicht spielt eine wichtige Rolle. Er kann über den Mechanismus der Stratosphärenheizung und einer Top-Down-Kopplung zu spürbaren Änderungen atmosphärischer Strömungen führen. Spielt die Sonnenaktivität womöglich eine größere Rolle als bisher geglaubt?
Die zentrale Größe des Klimawandels ist die Klimasensitivität. Nach bisherigem Erkenntnisstand liegt sie zwischen 1,0 und 2,5. Diese Zahlen für die sogenannte Transient Climate Response TCR drücken die Temperaturerhöhung in Grad bei Verdopplung des CO2-Gehalts aus. Im ersten Teil seiner Arbeit geht Stefani der Frage nach, ob diese Standardwerte womöglich zu groß sind, weil ein Teil der gemessenen Temperaturerhöhung auf erhöhte Sonnenaktivität zurückführbar ist.
Um diese Frage seriös zu beantworten, sind Messdaten der Sonnenaktivität über einen Zeitraum von mehr als hundert Jahren nötig. Da es keine hinreichend genauen Sonnendaten gibt, bedient sich Stefani eines raffinierten methodischen Schachzugs. Er analysiert den geomagnetischen aa-Index – eine Größe, die seit dem Jahr 1844 präzise gemessen wird. Sie stellt ein sehr gutes Maß für die Sonnenaktivität dar. Mit ausgefeilten Datenauswertungsverfahren gelingt Stefani eine Regressionsanalyse des Temperaturanstiegs der Erde in Abhängigkeit der CO2-Konzentration und des aa-Index. Stefani weist nach, dass die CO2-Sensitivität mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen 0,6 und 1,6 liegt. Sie ist damit kleiner ist als die bislang verwendeten Standardwerte. Daraus folgt, dass die Sonnenaktivität einen Anteil zwischen 30 und 70 Prozent am Klimawandel besitzt. Falls dies korrekt ist, stehen weitreichende Konsequenzen für unser Verständnis des Klimawandels ins Haus. Angesichts dieser überraschend hohen Werte wird die künftige Temperaturentwicklung maßgeblich durch die Entwicklung der Sonnenaktivität bestimmt.
Vor diesem Hintergrund prognostiziert Stefani im zweiten Teil seiner Arbeit die Temperaturen der nächsten 130 Jahre. Für das CO2 nimmt er den ungünstigen Fall eines fortgesetzten linearen Wachstums an. Für die Sonnenaktivität unterstellt er eine doppelte Synchronisierung des Sonnendynamos durch planetare Gezeitenkräfte sowie durch die rosettenförmige Bahn der Sonne um das Schwerezentrum des Sonnensystems. Das Ergebnis ist eine kleine wissenschaftliche Sensation: Unter der Annahme hoher Sensitivität (1,6) wird der Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts auf etwa ein Grad beschränkt sein. Im Fall niedriger Sensitivität (0,6) wird die Temperaturkurve der Zukunft näherungsweise flach bleiben.
Für eine umfassende Bewertung der neuen Erkenntnisse ist es noch zu früh. Die Studie muss von unabhängigen Forschergruppen geprüft und bewertet werden, bevor sie in den Fundus des gesicherten Wissens eingeht.
Eines ist seit dem 3. November 2021 freilich klar: Die wissenschaftliche Basis des Klimaurteils des Bundesverfassungsgerichts hängt nicht am seidenen Faden, sondern an der Vorhersage des geomagnetischen aa-Index für die nächsten 130 Jahre.
André D. Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“