Aug 28•19 min read
Ende 2018 titelte die FAZ: „Die Ernährung sagt heute oft so viel über die Persönlichkeit aus wie die Kleidung, das Auto oder die Einrichtung. Was dabei verlorengeht, ist das Gefühl für den eigenen Körper.“ Das wäre sehr bedauerlich, denn haben Sie sich schon mal gefragt: „Wer, außer meinem Körper, kann wissen, welches Essen für mich gut und gesund ist?“ Die Antwort für gesunde Menschen ist einfach: Niemand. Denn jeder Mensch is(s)t anders. Darum ist das Vertrauen in den eigenen Körper die bessere Wahl als Essen nach Regeln, die der Fantasie findiger Forscher entsprungen sind. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man einen guten Draht zu seinem Innersten hat, zu den Gefühlen Hunger, Lust, Sattheit und Verträglichkeit.
Dieses Gefühlsquartett bildet Ihren ganz persönlichen intuitiven Körpernavigator. Wer diese essenziellen Emotionen zur Lebenserhaltung gut kennt, der kann beim Essen auf sein einzigartiges Körperwissen über den Wert von Nahrung vertrauen, das mit jedem Essen lebenslang wächst. Diese „kulinarische Körperintelligenz“ Ihres Köpernavigators ist sozusagen das somatische Nahrungsgedächtnis und wird gespeist aus allen Mahlzeiten, die ein Mensch in seinem Leben zu sich nimmt. Für die Speicherung der zahlreichen Informationen in dieser „Nährstoffdatenbank“ hat unser Körper zwei eng verschaltete Gehirne zur Verfügung, die ständig miteinander kommunizieren:
Das Bauchhirn („enterisches Nervensystem“ [ENS], das mit seinen 100 Millionen Nervenzellen mit vier- bis fünfmal mehr Neuronen als das Rückenmark arbeitet!) und unser Kopfhirn. Das ENS ist übrigens ein hochkomplexes „Organ“, an dem viele Wissenschaftler weltweit intensiv forschen. So haben beispielsweise US-Forscher der Duke-Universität in Durham/North Carolina auf Zellen der Darmschleimhaut Verknüpfungsstellen zwischen Nervenzellen („Synapsen“) entdeckt, die ohne Umwege eine direkte Verbindung zum Gehirn herstellen. Die im wissenschaftlichen Topjournal Science vorgestellten Erkenntnisse „machen den Darm gewissermaßen zum größten Sinnesorgan des menschlichen Körpers“, prophezeite das Deutsche Ärzteblatt im September 2018. Studien allein über das ENS könnten Bücher füllen ...
Jedoch gilt weiterhin unabhängig von all diesen Erkenntnissen: Wie fast alles in der Ernährungswissenschaft lässt sich auch die kulinarische Körperintelligenz, übrigens ein frei erfundener Begriff, nicht nachweisen. Von ihrer Existenz weiß man nur aus eigener, gelebter Erfahrung. Ein paar Beispiele: Warum ...
... schmeckt dem einen Rosenkohl und Schwarzwurzel, dem anderen jedoch wird davon speiübel?
... essen manche Menschen gern und viel Vollkornbrot, andere hingegen bekommen davon böse Blähungen?
... gibt es passionierte Frühstücker genauso wie Menschen, die morgens keinen Bissen runterkriegen?
... mögen manche Fisch und Gambas, andere können damit überhaupt nichts anfangen respektive vertragen „Meereskost“ nicht?
... essen Chocoholics unheimlich gern und viel Schokolade, die „Süßaversiven“ aber reizen Süßigkeiten nicht die (Kakao-)Bohne?
... gibt es wahre Chili-Liebhaber, die „ohne scharf nicht leben können“, oder Knoblauch-Aficionados und diejenigen, die scharf überhaupt nicht abkönnen und beim Geruch von Knoblauch am liebsten aus dem Fenster springen?
... haben Menschen Lieblingsessen, deren wahren Genuss nur sie selbst erleben können?
Diese Fragenliste ließe sich endlos fortsetzen, aber die Botschaft bleibt stets die gleiche: Jeder Mensch hat sein ganz persönliches Essverhalten mit individuellen Vorlieben und Abneigungen. Allein schon deshalb sind allgemeine Ernährungsregeln völliger Nonsens (ganz zu schweigen von fehlenden Beweisen). Genauso gut könnte die fiktive „Deutsche Gesellschaft für Geschlechtsverkehr e.V.“ allgemeine Sexregeln einführen – idealer Partner, ideale Stellung, beste Dauer, gesundes Umfeld und so weiter. Auch das wäre hanebüchener Blödsinn, denn Sex und Essen sind die beiden elementaren Urtriebe, die sich nicht standardisieren lassen.
Kombiniert mit dem Wissen der fehlenden Beweise aller Ernährungsregeln hat die These der „kulinarischen Körperintelligenz“ ein Ziel: über das eigene Essverhalten nachzudenken, zu reflektieren, um anschließend als mündiger Essbürger mit eigener Meinung zu entscheiden: Glaube ich weiterhin an nicht bewiesene Ernährungsregeln, oder vertraue ich beim Essen besser auf meinen eigenen, einzigartigen Körpernavigator? Um es an dieser Stelle deutlich zu sagen: Es geht hier nicht darum, statt der regelkonformen Ernährungsweisheit eine andere, nur eben köpervertraute Ernährungsweisheit aufzutischen. Diese elementare Entscheidung sollte jeder für sich selbst treffen. Denn die „Ess-Wahrheit“ liegt nur in jedem Körper selbst. Es gibt keine gesunde Ernährung für alle.
„Fünf am Tag“ ist aufgrund seiner langjährigen Omnipräsenz als „Ernährungsregel Nr. 1“ die gefühlte Speerspitze staatlicher Ess-Erziehungsmaßnahmen – und nur ganz nebenbei: Diese Pflanzenkostkampagne ist aus Sicht der EU-Politiker nur eine Absatzförderungsmaßnahme. Das Deckmäntelchen der Gesundheit kaschiert diese staatlich geförderte Werbemaßnahme und gibt ihr ein gesellschaftlich akzeptiertes Outfit. Die EU-Fördermittel für Absatzwerbung flossen bis 2018 dabei nicht nur – wie gemeinhin gern glaubhaft gemacht – für frisches Obst und Gemüse, sondern auch für verarbeitete Lebensmittel. Und die Fördergelder konnten seinerzeit bei „ernsthaften Marktstörungen“ massiv erhöht werden; würde also beispielsweise ein Salatskandal zu Absatzeinbrüchen führen, wäre eine Extra-PR-Kampagne „Gesunder Kopfsalat“ denkbar ...
Neben der „gesundheitsfördernden“ Verkaufsförderung denken sich kreative Köpfe kontinuierlich weitere Maßnahmen zur Ernährungsmanipulation der Bürger aus – so beispielsweise die immer wiederkehrende Forderung nach einer Nährstoffampel auf den Packungen. Rot, gelb, grün, die farbigen Punkte für „gesund/empfehlenswert“ (grün) und „Achtung, ungesund!“ (rot) entspringen dabei der reinen Willkür gesundheitsapostolischer Ernährungsregulierer. Denn Beweise, dass dieses Farbenspiel irgendeinen Bezug zu Gesundheit oder Krankheit birgt, existieren systembedingt natürlich nicht.
Daher können wir hierzulande nur begrüßen, dass auch die aktuelle Bundesregierung der 2018er GroKo – das zuständige Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter Leitung von Bundesministerin Julia Klöckner – diesem notorischen Nonsens noch immer widersteht und die Bürger mit den ideologisch getünchten Farbklecksen auf Lebensmitteln verschont. Genauso wenig halten die deutschen Politiker von einer Bevormundung der Verbraucher durch Werbeverbote und Strafsteuern auf „ungesunde“ Lebensmittel – und das ist auch gut so! So stellte Gitta Connemann, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, im März 2019 klar: „Der Staat darf nicht vorgeben, was auf den Tellern liegt – auch nicht auf Umwegen wie durch Strafsteuern für bestimmte Inhaltsstoffe.“
Stattdessen soll es eine „Reformulierungsstrategie auf freiwilliger Basis“ richten, wonach sich die Lebensmittelindustrie richten soll – nun ja, ein dezenter öffentlicher Mikro-Kotau vor den in aller Öffentlichkeit laut plärrenden Ernährungsaposteln musste es der Form halber dann wohl doch seitens Vater Staat sein („Wir machen was, wir packen es an, wir kümmern uns“).
Immer wieder wird in regelmäßigen Abständen die „Steuer-Sau“ durchs Dorf getrieben: Regierungen oder gesundheitsorientierte Lobbygruppen fordern wiederholt Steuern auf alles, was lecker schmeckt: salz- und zuckerhaltige Lebensmittel, Fast Food, Chips und Softdrinks, Butter und Frittiertes. Diese Forderungen haben eines gemeinsam: Sie spiegeln blinden Aktionismus wider, der auf purer Willkür basiert, weil ihm jegliche wissenschaftliche Grundlage fehlt (denn es gibt keine ungesunden Lebensmittel). Warum aber tauchen diese Steuerrufe immer wieder auf? Zum einen, weil man sich damit „gutmenschenartig“ in der ernährungspropagandistisch geblendeten Öffentlichkeit positiv positionieren kann: Wir kümmern uns um die Gesundheit der Bürger, indem wir uns gegen ungesunde Ernährung engagieren und die „bösen Dick- und Krankmacher“ teuer machen! Zum anderen spülen neue Steuern frische Gelder in klamme Staatskassen – weil asozialerweise alle Bürger abkassiert werden: Denn nicht nur die „kranken Dicken“ zahlen, sondern auch schlanke Gesunde und alle anderen.
Ein besonders „starkes Stück“ ist die Forderung der Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK), die im August 2018 in der Öffentlichkeit lanciert wurde: Wir wollen Steuern auf „ungesunde Kinderdickmacherlebensmittel“! Dies ist ein Paradebeispiel der dreisten Desinformation des eigenen Volkes.
Weniger überraschend ist hingegen, dass niemand weiß, ob eine Zucker- oder Fettsteuer dazu führt, dass Menschen sich anders ernähren, dünner oder gesünder werden. Aber man kennt inzwischen einige „Ausweichverhalten“ der Bürger, wenn man ihnen beim Essen zu tief in den Geldbeutel greift. In Dänemark beispielsweise hat man die Fettsteuer wieder abgeschafft, und zwar aus ganz pragmatisch-pekuniären Gründen: Viele Dänen kauften ihre Butter in Deutschland, sodass der dänische Staat weniger statt mehr einnahm. Die offizielle Erklärung lautete: Die hohe Fettsteuer hat keine Wirkung auf das Ernährungsverhalten der Dänen gezeigt, und sie belastete Geringverdiener unverhältnismäßig hoch.
Besonders eifrig sind Organisationen wie UN und WHO, die jedes Jahr aufs Neue Gesetze und Abkommen gegen Übergewicht und ungesunde Ernährung fordern. Fast schon beängstigend erscheint dabei die Verbissenheit, mit der gewisse Behauptungen, denen jegliche wissenschaftliche Grundlage fehlt, in die Welt gesetzt werden: Ungesunde Ernährung stelle mittlerweile eine noch größere Gefahr für die Gesundheit dar als das Rauchen, erklärte die damalige WHO-Chefin Margaret Chan im Sommer 2014.
Dabei hatte die WHO erst einige Monate zuvor die Hexenjagd auf Zucker eröffnet. Die Weltgesundheitsorganisation forderte, dass wir unseren Zuckerkonsum drastisch reduzieren sollten, um so Fettleibigkeit und deren Folgeerkrankungen zu bekämpfen. Auch wenn es redundant klingt, es muss an dieser Stelle erneut gesagt werden: Es fehlt der wissenschaftliche Beweis, dass Zucker dick oder krank macht.
Ungeachtet dessen hat die WHO im März 2015 eine neue Richtlinie veröffentlicht, in der die Empfehlung für den Zuckerkonsum von aktuell 10 Prozent des täglichen Energiebedarfs auf 5 Prozent halbiert wird. Das heißt konkret: Beim offiziellen weiblichen Durchschnittsbedarf von 2.000 kcal dürfen 100 kcal aus Zucker sein. Und das ist nicht viel: Eine 0,33-Liter-Dose Cola liefert etwa 145 Zucker-Kilokalorien, 200 Milliliter Apfelsaft circa 90 Fruchtzucker-Kilokalorien. Von Süßwaren, Kuchen und Desserts ganz zu schweigen, und der pure Zucker im Espresso: künftig streng limitiert! Auch das Nutellabrötchen müsste wohl verbannt werden. Und der Honig gleich mit; denn die WHO will jede Art von freiem und zugesetztem Zucker reglementieren, mit Ausnahme von Obst. Dabei ist in Trauben und Orangen der gleiche Fruchtzucker enthalten wie in den entsprechenden Fruchtsäften.
Das alles klingt nach purer Willkür ohne jede fachliche Grundlage. Jeder kritische Bürger darf und sollte sich natürlich fragen: Was zum Teufel soll das? Es könnte sein, dass dieser WHO-Vorstoß der omnipräsenten „Fünf-am-Tag“-Kampagne in die Karten spielen soll, denn deren „Kern-Absatzprodukte“ werden durch diesen Bevormundungsvorstoß nicht konterkariert. Ansonsten lässt sich derartig unerklärliches Vorpreschen nur mit Maßnahmen totalitärer Staaten vergleichen, die Gesetze al gusto erlassen – es geht, wie so oft, um Machterhalt und Deutungshoheit. Auch die WHO muss ein wichtiger Player im Geschäft mit der Ernährung bleiben.
Zum Abschluss dieses Textes unterstützen wir die Kampagneros mit einer internationalen Kombination passender Fakten. In Mexiko, laut UN-Angaben im Jahr 2013 die fetteste Industrienation noch vor den USA, gilt seit Ende 2013 eine Strafsteuer auf Fast Food und Süßigkeiten. Das offizielle Ziel dieser Maßnahme: Die Regierung will den Kampf gegen das grassierende Übergewicht gewinnen. Gleichzeitig ist Mexiko Spitzenreiter unter den OECD-Ländern bei Kaiserschnitten, Deutschland liegt mit überdurchschnittlichen Schnittraten auf Platz elf (TK-Geburtenreport 2017). Nun muss man wissen: Die Kaiserschnittgeburt gilt als Risikofaktor für Übergewicht.
Beispielsweise waren einer Studie der Harvard University zufolge im Alter von drei Jahren doppelt so viele Kaiserschnitt-Kinder dick im Vergleich zu natürlich Geborenen. Vielleicht ist Schnitt-Spitzenreiter Mexiko dieser Zusammenhang nicht bekannt? Vielleicht aber kennen ihn die Baden-Württemberger, denn hier startete 2014 eine Kampagne zur natürlichen Geburt, mit dem Ziel, die Kaiserschnittrate zu senken. Eine Pommes-Steuer hingegen gibt es im „Ländle“ nicht. Stattdessen aber könnte die interkulturelle Empfehlung aus Stuttgart für Mexiko lauten: „Statt Steuern auf Fritten: Senkung von Kaiserschnitten!“
Fazit: Der gesamte staatliche Aktionismus zur Bevormundung des bürgerlichen Essverhaltens basiert auf reiner Willkür. Jeder sollte die entsprechenden Vorhaben seiner Partei kennen – um bei der nächsten Wahl nicht nur über den Tellerrand zu blicken, sondern auch hinein.
Daher sei darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung in der derzeitigen Legislaturperiode (2017–2021) sowohl das Ampelsystem als auch „Zuckersteuer & Co.“ (noch) ablehnt – das ist ein respektables Standing contra öffentlich omnipräsente ernährungsapostolische Forderungen nach Zwangsmaßnahmen! Welchen Stellenwert die Regierung generell dem Thema „gesunde“ Ernährung zubilligt, verdeutlichen folgende Zahlen sehr schön: Im Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sind 2019 für die Information von Verbraucherinnen und Verbrauchern insgesamt 20 Millionen Euro vorgesehen.
Zwölf Millionen Euro werden davon in „Maßnahmen zur Förderung ausgewogener Ernährung“ investiert. Das neu initiierte Aktionsprogramm „Gesunde Ernährung von Seniorinnen und Senioren“ soll dabei einen wesentlichen Beitrag zur Prävention von ernährungsmitbedingten Krankheiten leisten. Bei einem Gesamtetat in Höhe von rund 6,2 Milliarden Euro für 2019 scheint der „Glaube an ausgewogene Ernährung“ klar ... nicht vorhanden. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es sehr begrüßenswert, dass in diesem Glaskugelbusiness keine horrenden Summen unserer Steuergelder verbrannt werden.
Anders sieht es bei den Kollegen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung aus. Das BMBF finanziert den Kompetenzcluster für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit (nutriCARD) für weitere drei Jahre ab 2018 mit insgesamt rund 5,6 Millionen Euro. Das Verbundprojekt der Universitäten Halle, Jena und Leipzig verforscht diese unsere Steuergelder, um „die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern“. So wurde in der ersten Förderphase beispielsweise – kein Scherz – eine „herzgesunde Leberwurst“ entwickelt, die mit Omega-3-Fettsäuren angereichert ist.
Unabhängig davon, dass vom Leberwurstbrot sicher kein einziger Herzinfarkt vermieden wird (geschweige denn, dass es dafür jemals einen Beweis geben wird), bestätigte Mitte 2018 eine große hochwertige Studie: „Millionen von Menschen nehmen Omega-3-Fettsäuren als Tabletten zur Herzerkrankungsprävention ein. Doch das können sie sich sparen. ‚Es gibt keine einzige Rechtfertigung für die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren‘, lautet das vernichtende Urteil von Dr. Louise Bowman, die die Ergebnisse der bisher größten randomisierten Studie zur kardiovaskulären Wirkung von Omega-3-Fettsäuren beim ESC-Kongress 2018 in München präsentiert hat“ (Ärzte Zeitung). Erst ein paar Monate zuvor hatte eine Meta-Analyse von zehn randomisierten Studien mit fast 78.000 Teilnehmern, publiziert im JAMA Cardiology, klar gezeigt, dass Omega-3-Fettsäuren keine Wirkung auf die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben oder gar die Sterblichkeit senken.
Aber das war den deutschen Uni-Forschern wurst, denn sie verwursteten Millionen Euro an Steuergeldern, um die nutzlosen Fischfette in die Leberwurst zu mischen ...
Fleisch ist böse – und wer Fleisch isst, auch. So denken zumindest viele Tierliebhaber, die Steak, Wurst und Schnitzel für die Wurzel körperlichen Übels halten. Dabei haben sie besonders die roten Sorten auf dem Kieker. Am Rande erwähnt: Eine wissenschaftlich exakte und international einheitliche Definition von rotem und weißem Fleisch existiert nicht. Ob Straußenfleisch beispielsweise zu weißem (Geflügel) oder rotem (Farbe) Fleisch gezählt wird, obliegt dem Gusto der Forscher. Ein Schnitzel ist zwar eher weiß als rot, gehört aber meist zu Rotfleisch. Bei einer Weißwurst sehen die Wissenschaftler ebenfalls rot, das muss man erst einmal verarbeiten. Wo fängt die Fleischverarbeitung an, wo hört sie auf? Auch das entscheidet die kategorische Willkür der Wissenschaftler.
Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: So, wie beim Obst und Gemüse kein Beweis dafür existiert, dass es der Gesundheit nützt, so liegt auch für den Fleischkonsum kein wissenschaftlicher Beleg vor, dass er schadet. Wenn überhaupt, so haben die Studien auch hier nur Korrelationen ergeben.
Wie aber soll die Wurst zuckerkrank machen? Es könnten Begleitstoffe schuld sein, eventuell gibt es auch andere potenzielle Ursachen, die jedoch noch weiter erforscht werden müssen. Das ist übrigens der Lieblingssatz, mit dem alle Ernährungsstudien enden: „Da noch andere, unbekannte Gründe für die entdeckten Zusammenhänge verantwortlich sein können, sind weitere Forschungen nötig.“ Weitere Forschungen, immer weiter. So machen die Studienleiter stets gebetsmühlenartig darauf aufmerksam, dass ohne weitere Forschungsgelder alles Ernährungswissen vage bleibt. Unter uns: Das wird auch so bleiben.
Ein weiteres ungeschriebenes Gesetz der Ernährungsforschung lautet: „Zu jeder Studie gibt es eine Gegenstudie.“ Das gilt natürlich auch für das „böse“ Fleisch. Zwei unabhängige Metaanalysen von der Universität Cambridge (2014, 72 Studien) und im British Medical Journal (2015, 73 Studien) ergaben beispielsweise: Tierische Fette (gesättigte Fettsäuren) haben keinen Einfluss auf Herzkrankheiten und Sterblichkeit. Damit bestätigten die Forscher eine vorherige Auswertung von 57 Studien: Es ist kein Zusammenhang (Korrelation) zwischen Fleischverzehr und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erkennbar. Darüber hinaus mahnte ein Kardiologe im renommierten British Medical Journal (BMJ), dass der Mythos von gesättigten Fetten (aus Fleisch) als Verursacher von Herz-Kreislauf-Erkrankungen „zerstört“ werden müsse.
Dem entspricht die erste große Metaanalyse ausschließlich von RCTs („Randomised Clinical Trials“), also hochwertiger klinischer Studien, die im Januar 2017 ergab: Der tägliche Verzehr von mehr als einer halben Portion (> 35 Gramm) rotem Fleisch (verarbeitet und unverarbeitet) hat keinen Einfluss auf die wesentlichen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Krankheiten (LDL/ HDL/ Total-Cholesterin, Triglyceride, Blutdruck). Für die Studie, die im Topjournal der American Society for Nutrition, dem American Journal of Clinical Nutrition, publiziert wurde, analysierten die Autoren 945 Studien, von denen 24 RCTs ihre Qualitätskriterien erfüllten und ausgewertet wurden. Die Wissenschaftler, die ihre Studie als „erste RCT-Metaanalyse dieser Art“ sehen, fanden auch keinen Hinweis, dass ein deutlich höherer Fleischkonsum als 35 Gramm pro Tag die KHK-Risikofaktoren beeinflusst.
Als „Hackhäubchen“ sei noch eine weitere Großstudie von Anfang 2017 erwähnt, bei der mehr als 267.000 Australier hinsichtlich des härtesten (und klarsten) aller Studienendpunkte beobachtet wurden: Die Wissenschaftler konnten keinen Unterschied in der Sterblichkeit (~ 17.000 Todesfälle) zwischen Fleischessern und diversen Formen vegetarischer Ernährung (Vegetarier, Flexitarier [≤ 1 x pro Woche Fleisch], Fischvegetarier) feststellen (Preventive Medicine).
Und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) e.V. lancierte anlässlich des Europäischen Kardiologenkongresses 2018 folgende Pressemeldung: „Neue internationale Studie mit mehr als 218.000 Teilnehmern aus über 50 Ländern empfiehlt Umdenken bei herzgesunder Ernährung: Fleisch und Milchprodukte. Zum Beispiel zeigen unsere Ergebnisse, dass Milchprodukte und Fleisch herzgesund sind und zur Langlebigkeit beitragen. Das weicht von herkömmlichen Ernährungsempfehlungen ab.“ Randnotiz: Sie wissen ja jetzt, dass kein Kausalzusammenhang hergestellt werden kann, das ist frei erfunden, denn auch hier handelt es sich, wie üblich, um eine Beobachtungsstudie. Die DGK macht es aber einfach trotzdem ... Aus Liebe zum Filetsteak auf dem eigenen Teller?
Blicken wir noch kurz nach unten, vom Herz zum Darm. Auch hier hat die Wissenschaft Mitte 2015 klare Erkenntnisse vorgelegt: Rotes Fleisch ist kein Risikofaktor für Darmkrebs (Metaanalyse von 27 oecotrophologischen „Goldstandard Studien“ [prospektive Kohortenstudien], Journal of the American College of Nutrition). Interessanterweise ergab 2009 die Analyse der wichtigsten Ernährungsstudie EPIC (Oxford): Vegetarier haben häufiger Darmkrebs als Fleischesser ...
Und 2018 stellte die Patienteninformationsseite „gesundheitsinformation.de“ des IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) klar: „Es gibt bisher keine randomisierten Studien, die belegen, dass es vor Darmkrebs schützt, wenn man weniger rotes und verarbeitetes Fleisch isst.“ Und nur der Vollständigkeit halber, weil das IQWiG als Quelle so schön als seriös, evidenzbasiert, unabhängig und damit als vollumfänglich glaubwürdig einzustufen ist: „Ballaststoffe können das Darmkrebsrisiko wahrscheinlich kaum oder gar nicht senken.“ Aller guten Statements sind drei, ergo noch diese Tatsachendarstellung der Gesundheitsinformanten: „Das internationale Forschungsnetzwerk Cochrane fand keine überzeugenden Belege dafür, dass Menschen, die viel Obst und Gemüse essen, seltener an Darmkrebs erkranken.“
Zur Erinnerung: Die bereits erwähnte EPIC-Studie beobachtete auch, dass nicht die Fleischverächter am längsten leben, sondern die moderaten Fleischesser. Leicht irritierend hingegen wirkt die folgende „Freigeistkorrelation“: Die Österreicher „knacken“ als einziges EU-Land die 100-Kilo-Marke beim Fleischkonsum pro Kopf und Jahr. Damit sind sie die Nummer 1 in Europa – und ihre Lebenserwartung liegt höher als die der Griechen, die nur knapp halb so viel Fleisch essen wie die Österreicher (Quelle: Statista, 2019).
Telo-was? Telomere. Das sind die Schutzkappen am Ende der Chromosomen (Erbgut), die als Indikator für die Lebenszeit der Zellen fungieren – sozusagen die „Zündschnur“ des Lebens, die immer kürzer wird, bis die Zelle stirbt. Je länger diese Telomere sind, desto länger leben die Zellen. Daher wird diskutiert, ob Menschen mit langen Telomeren durchschnittlich länger leben als solche mit kurzen. Nun hat eine neue Studie von 2017 Folgendes gezeigt: Kinder, die im ersten Lebensjahr am häufigsten krank waren, hatten die kürzesten Telomere – also ein schlechtes Zeichen, denn die „kurzen Kappen“ können auf frühzeitige Zellalterung, drohende Krankheiten und schlimmstenfalls gar auf ein kurzes Leben hindeuten. Wenn diese Kinder dann im Alter noch dazu zu viel rumsitzen, dann ist das gar doppelt schlecht für deren Telomere – denn einer weiteren Untersuchung der University of California aus 2018 zufolge haben ältere Frauen zwischen 64 und 95 Jahren, die am meisten sitzen und sich am wenigsten bewegen, die kürzesten Telomere. Aber was wären die modernen Ernährungswissenschaften, wenn es hier nicht auch ein paar passende Studien gäbe, die hoffnungsfroh stimmen!
So penetrierte im Sommer 2016 eine neue Studie das Sommerloch mit folgendem Erguss: Fleischesser haben die längsten! Auch wenn diese Schlagzeile so manchen männlichen Steakliebhaber in seiner Manneskraft bestätigen mag, die Wissenschaftler zeigten stattdessen: Rotfleischesser haben die längsten Telomere. Und nur kurze Zeit später gab die Veterinärmedizinische Universität Wien in einer Pressemeldung anlässlich ihrer neuen Studie bekannt: „Ein voller Bauch verjüngt den Siebenschläfer ... Ausgiebige Mahlzeit hält Zellen jung“. Die Wiener Forscher zeigten, dass die Telomerlänge der Siebenschläfer direkt vom Nahrungsangebot abhing. Nur bei zusätzlichem Futterangebot konnte die gleiche Länge oder sogar eine Verlängerung der Endkappen festgestellt werden.
Lautet die freigeistige „Kombination der Korrelation“ aller hier aufgeführten Telomerforschungen etwa: Um das verfrühte Abfackeln der Lebenszeitzündschnüre bei häufig kranken Kindern, die als Erwachsene viel sitzen, zu verlangsamen, gebt diesen Kindern Fleisch zu essen und lasst sie sich ordentlich den Bauch vollschlagen?! Zugegebenermaßen eine gewagte These, die jedoch aufgrund der Studienlage moderat „plausibilitätsgestützt“ daherkommt ... Sie können auch einfach nur darüber lachen, das ist sicher okay. Oder Sie halten sich an das zentrale Credo aller forschenden Ernährungswissenschaftler, denn auch die „Fleischesser-haben-die-längsten-Telomere“-Studie endet natürlich mit deren Lieblingssatz: „Weitere Studien müssen durchgeführt werden, um diesen Zusammenhang noch näher zu beleuchten.“
Zum Abschluss dieses Kapitels blicken wir kurz in die Vergangenheit auf die prähistorische Speisekarte unserer Vorfahren: Die engsten Verwandten des Homo sapiens, die Neandertaler, verzehrten hauptsächlich Fleisch, ergänzt um pflanzliche Lebensmittel. Und diese Vorliebe für Fleisch hat höchstwahrscheinlich auch den Aufstieg der Frühmenschen begünstigt, wie 2012 eine Studie im naturwissenschaftlichen Fachmagazin Nature bekräftigte: Die ersten Vertreter der Gattung Homo aßen wohl mehr Fleisch als ihre „Erd-Mitbewohner“ anderer Gattungen, was ihnen einen evolutionsbiologischen Vorteil verschaffte. Dem entspricht auch die klare Aussage von Prof. Dr. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in der ZDF-Sendung Terra X (Mai 2018): „Die Vermehrung des Fleischkonsums führte natürlich auch, neben vielen weiteren Auswirkungen, zu einer Vergrößerung des Gehirns, zu einem ausgeprägten Hirnwachstum, was den Menschen zu ganz anderen Leistungen befähigt hat.“
Kurzum: Fleisch ist ein natürliches Grundnahrungsmittel unserer Spezies, dessen gesundheitsapostolische Verteufelung absolut absurd ist. So sehen es auch fast 90 Prozent der Teilnehmer einer Meinungsumfrage im Auftrag von Deutschlands größter Gesundheitszeitschrift: „Es ist naturbedingt und selbstverständlich, dass Menschen Fleisch essen“ (Apotheken Umschau, 2012). Nur so am Rande erwähnt: Dieses Statement gilt sicher auch für eines der natürlichsten und hochwertigsten Lebensmittel zugleich: das Ei. Und so ist es mehr als begrüßenswert, dass seit Ende 2016 in den offiziellen US-amerikanischen Ernährungsrichtlinien nicht mehr vor cholesterinhaltigen Lebensmitteln gewarnt wird. Nahrungs-Cholesterin sei unbedenklich und keine Gefahr für die Gesundheit. Eier und Co. sind „rehabilitiert“. Die Autoren begründen den „Rausschmiss“ damit, dass in der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur kein nennenswerter Zusammenhang zwischen Cholesterin in der Nahrung und Cholesterin im Blut zu erkennen sei. Wenn das die Erklärung ist, was wird da wohl alles noch dem Cholesterin folgen und aufgrund mangelnder Evidenz aus den Leitlinien verbannt? Etwa Fleisch?
Fazit: Es gibt keine wissenschaftliche Grundlage dafür, dass weniger Fleischverzehr mehr Gesundheit bringt. Ein längeres Leben haben die fleischfreien Esser auch nicht. Manch namhafte Vorzeigestudien wie EPIC zeigen gar das Gegenteil – moderate Fleischgenießer leben am längsten.
Uwe Knop (geb. 1972) ist Diplom-Ernährungswissenschaftler. Er arbeitet seit vielen Jahren im Kommunikationsbereich der Gesundheits- und Medizinbranche und ist Kritiker der Manie um gesunde Ernährung. Dies ist sein Auszug aus seinem neuen Buch „Dein Körpernavigator. Zum besten Essen aller Zeiten“, Uwe Knop, 2019, Heidelberg: Polarise-Verlag, hier bestellbar