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Die Zeiten ständigen realen Wirtschaftswachstums in der westlichen Welt sind vorbei. Wir stehen an einer säkularen Wende. Trotz immer weiterer Erfindungen und technischen Fortschritts, trotz ständig weiter steigender Arbeitsproduktivität wird es zukünftig vermutlich kaum weiteres reales, wohlfahrtssteigerndes Wirtschaftswachstum für den Großteil der Bevölkerung geben. Oder wir werden sogar eine Schrumpfung unseres realen Wohlstandes für den größten Teil der Menschen der westlichen Welt und vieler anderer Länder erleben.
Vor gut 100 Jahren prognostizierte Oswald Spengler in seinem Buch „Der Untergang des Abendlandes“ das unmittelbar bevorstehende kulturelle Ende der westlichen Welt. Sie sei in die letzte Phase des Verfalls eingetreten. Folgt man seiner Logik, müssten bis zum Jahr 2200 im Abendland barbarische Zustände eintreten. Möglicherweise ist Oswald Spenglers Prognose heute aktueller denn je.
Das Abendland befindet sich derzeit in einem rasch fortschreitenden Prozess der Bürokratisierung, Verknöcherung und Überwachung und kämpft mit ständig steigenden Zivilisationskrankheiten. Langsam, aber sicher wird die Wirtschaft immer schwerer mit Ballast beladen, sodass ihr eines Tages die Luft ausgeht. Die Phase des Aufstiegs dürfte vorbei sein. Mit etwas Glück können wir das erreichte Niveau vielleicht noch ein paar Jahrzehnte halten.
Dass viele Länder in oder vor eine Phase realer Wohlfahrtsstagnation oder gar -schrumpfung stehen sollen, klingt auf den ersten Blick vielleicht sehr unplausibel. Daher ein paar empirische Belege anhand von Ländern, in denen die prophezeite Entwicklung bereits seit einigen Jahren weitgehend eingetreten ist: Gemessen am offiziell ausgewiesenen kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf gab es in Großbritannien, Südafrika, Mexiko und Japan in den vergangenen 14 Jahren praktisch kein Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum mehr. Brasilien stagniert seit zehn Jahren und die Menschen in Italien sind heute laut Regierungsangaben ärmer als vor 20 Jahren.
In Deutschland ist das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf von 2007 bis 2021 offiziell um insgesamt 11,6 Prozent gestiegen. Das klingt eigentlich nicht schlecht. Allerdings kommt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung von 2016 für einen etwas weiter zurückliegenden Zeitraum zu ganz anderen Ergebnissen. Die gewerkschaftsnahen Wissenschaftler stellten dem BIP einen eigenen Wohlfahrtsindikator gegenüber, den Nationalen Wohlfahrtsindex (NWI). Dieser ergänzt das BIP unter anderem um Verteilungskomponenten, ehrenamtliche Beschäftigung und es werden Tätigkeiten zur Schadensminderung wie Kosten durch Kriminalität, Umweltbelastung, Lärmbelästigung und so weiter abgezogen.
Von 1991 bis 2014 stieg demnach das reale BIP in Deutschland um insgesamt 34,3 Prozent. Der Wohlfahrtsindex NWI erhöhte sich im gleichen Zeitraum jedoch lediglich um 4,4 Prozent. Das ist ein dramatischer Unterschied. Demnach stieg die reale Wohlfahrt für den Großteil der Menschen in Deutschland in diesen 25 Jahren so gut wie gar nicht, obwohl ein realer BIP-Zuwachs um ein Drittel ausgewiesen wurde. Das ist ein beeindruckendes Ergebnis, das einige Fragen aufwirft.
Vermutlich dürfte die von der Hans-Böckler- Stiftung entwickelte Wohlfahrtsmessung für Deutschland zwischen 2007 und 2021 statt eines Wirtschaftswachstums von 11,6 Prozent eine reale Schrumpfung ausweisen. Die 2016 von der Gewerkschaftsstiftung veröffentlichten Ergebnisse unterstreichen die oben gemachte Aussage, dass wir möglicherweise in Wahrheit schon längst in eine Phase der Stagnation beim realen Wohlstandszuwachs für den Großteil der Bevölkerung eingetreten sind. Nur lassen es uns die offiziellen Statistiken nicht wissen.
Aber die Menschen fühlen es dennoch. Viele Leute fragen sich beispielsweise, weshalb es heute zahlreichen jungen Familien nicht mehr möglich ist, dass nur ein Elternteil arbeitet, um die Familie zu finanzieren, warum aus ökonomischen Gründen in vielen Fällen beide Elternteile arbeiten müssen, während das vor einer Generation, als wir offiziell viel ärmer waren, häufig nicht nötig war.
Die sechs zuerst genannten Länder befinden sich also bereits seit vielen Jahren ganz offiziell in einem Zustand weitgehender ökonomischer Stagnation oder gar Schrumpfung des tatsächlichen materiellen Lebensstandards.
Deutschland ist vermutlich de facto ebenfalls seit vielen Jahren in einer Phase der Stagnation des realen Wohlergehens. Würde man die Methode des Nationalen Wohlfahrtsindex der Hans-Böckler-Stiftung auch auf die sechs anderen Länder anwenden, kämen höchstwahrscheinlich sehr viel schlechtere Ergebnisse heraus als die oben geschilderten offiziellen BIP-Zahlen. Vermutlich sinkt in diesen sechs Ländern für den Großteil der Bevölkerung der reale Wohlstand seit Langem. Wenn man sich mit Menschen aus Italien unterhält, bestätigen sie dies normalerweise vehement. Ähnliches gilt für Gespräche mit Menschen aus Südafrika oder Mexiko.
Meiner Ansicht nach sind es zwei Haupttreiber, die uns in den Niedergang führen. Zum einen abnehmende Gesundheit. Zum anderen, und das dürfte der Hauptgrund sein, sinkende Ethik- und Moralstandards. 1. Abnehmende Gesundheit, zunehmende Zivilisationskrankheiten Wenn wir immer kränker werden, wenn Allergien, Neurodermitis, Diabetes, Bluthochdruck, Karies, ADHS, Adipositas, Arthrose, Rheuma und Krebs bereits in jungen Jahren zunehmen, benötigen wir immer mehr Gesundheitspersonal und Medikamente. Dadurch steigt offiziell die Wirtschaftskraft. Eine Zunahme dieser Gesundheitsdienstleistungen oder -produkte steigert das BIP.
In Wahrheit kommt es jedoch nicht zu einem Zuwachs an Wohlstand oder Wohlbefinden, im Gegenteil. Man „repariert“ nur aufwendig mit viel Zeit, Kraft und Schmerz, versucht den Zustand der Gesundheit, der vorher da war, wieder zu erreichen oder zumindest sich nicht weiter verschlechtern zu lassen. 2. Sinkende Moral- und Ethikstandards Wenn die Moral- und Ethikstandards in einem Land sinken, hat das gravierende schädliche ökonomische Auswirkungen. Schlüsselfaktoren sind Vertrauen und Verlässlichkeit.
Unsere Wirtschaft ist in höchstem Maße arbeitsteilig organisiert. Die Produktionsketten sind oft sehr lang und erstrecken sich über viele Länder und Kontinente. Wenn ein Glied in der Produktionskette bricht, funktioniert die ganze Lieferkette nicht mehr, wie wir während der Lockdowns schmerzlich erfahren mussten. Wie stellt man sicher, dass die Lieferketten im Großen und im Kleinen funktionieren, dass sich alle Beteiligten an die Regeln halten, dass Lieferfristen und Qualitätskriterien erfüllt werden?
Je weniger sich die am Wirtschaftsprozess beteiligten Menschen an Ethik und Moral halten, desto höher werden die Transaktionskosten. Das verteuert Produktion und Verteilung der Güter und Dienstleistungen.
Je niedriger die Moralstandards, desto mehr wird betrogen. Cum-Ex-Geschäfte, Dieselskandal, Wirecard, Gammelfleisch, Versicherungsbetrug, Glykolwein, Steuerflucht, Finanzbetrug, verdeckte Verkürzung der Produktlebensdauer und so weiter: Die Liste der kleinen und großen Betrügereien und Übervorteilungen im Wirtschaftsalltag ist lang und wird ständig länger. Meiner Einschätzung nach steigen Wirtschaftskriminalität, Unehrlichkeit und Übervorteilung im Wirtschaftsleben seit Jahrzehnten deutlich an und werden absolut und prozentual weiter ansteigen.
Wie wirkt sich das konkret auf unser Leben aus? Ein Beispiel: Wenn wegen sinkender Moralstandards die Kriminalität zunimmt, brauchen wir immer mehr Polizisten, Security- und Wachpersonal, mehr Menschen, die Überwachungskameras oder andere Sicherheitsgegenstände wie Schlösser, Riegel, Sicherheitssoftware, Waffen, Schutz- und Abwehrgeräte oder Verteidigungsgegenstände herstellen, mehr Anwälte, Richter und Gefängnisse.
Eine Zunahme der Leistungen dieser Menschen steigert zwar das BIP, nicht jedoch den realen Wohlstand. Im Gegenteil. Bei zunehmender Kriminalität und Überwachung fühlen sich die Menschen weniger wohl als zuvor, als es keine oder nur selten Verbrechen gab und das BIP niedriger war.
Von einer solchen Steigerung des BIP kommt keine reale Lebensverbesserung bei den Menschen an. Man „repariert“ nur, man versucht, den Zustand von Sicherheit und Vertrauen, der vor dem Anstieg der Kriminalität da war, wiederherzustellen oder zumindest ihn sich nicht weiter verschlechtern zu lassen. In der Volkswirtschaft nennt man diese Art Güter auch „Regrettables“.
Möchte man also trotz sinkender Moralstandards die Produktion aufrechterhalten, benötigt man immer strengere Regeln, Kontrollen, Bürokratie und Durchsetzungsinstrumente oder -personal wie Aufsichtspersonen, Überwachungskameras, Controlling, Anwälte, Gerichte und Polizei.
Das alles führt zu steigenden Produktionskosten. Je niedriger die Ethikstandards, desto teurer wird das Produzieren, desto mehr Ressourcen, Kapital, menschlicher Geist, Energie und Lebenskraft müssen in Verwaltung, Kontrolle, Überwachung und Bürokratie gesteckt werden statt in produktive Tätigkeiten.
Kurz: Je mehr Egoismus im Wirtschaftsleben und in der Gesellschaft überhaupt herrscht, desto schwieriger und unproduktiver wird die Güter- und Dienstleistungserstellung.
Was mittelfristig auf das Abendland zukommt, wenn die Moralstandards immer weiter sinken, kann man gut an der Mafia in Sizilien oder an manchen Elendsvierteln in Südamerika studieren. Wenn wirklich Kernelemente von Moral und Anständigkeit zerstört sind, können Mafiasysteme und andere organisierte kriminelle Banden ihre Blüten treiben.
In einigen Favelas in Südamerika zählt nur mehr das Recht des Stärkeren, es herrscht der blanke Egoismus oder – was vielleicht noch schlimmer ist – Gruppenegoismus, Bandenegoismus. In Rio de Janeiro beispielsweise stehen etwa ein Viertel der Fläche und gut zwei Millionen Menschen unter der Kontrolle solcher Bandenstrukturen. Dort herrscht ein Angst- und Erpressungssystem.
Abgesehen von den gesellschaftlichen und seelischen Verheerungen, die solche beängstigenden Strukturen mit sich bringen, löscht das alle Arten von vernünftigem Wirtschaften aus.
Unter solchen Rahmenbedingungen kann das Wirtschaftsleben nur mehr das zum Überleben Nötigste hervorbringen. An Wachstum oder gar Wohlstand ist unter solchen Umständen nicht mehr zu denken. Je mehr sich also unsere Gesellschaft in moralischer Hinsicht in eine solche Richtung entwickelt, desto stärker wird der Wohlstand zurückgehen.
Zu glauben, dass man sinkende, im menschlichen Inneren liegende Ethikstandards durch äußere strenge Gesetze, Spielregeln und deren Durchsetzung mittels Druck von außen kompensieren kann, ist ein großer Irrtum. Gerade die Durchsetzung von Regeln durch äußeren Druck, mit Drohung von Strafen et cetera, führt ja zu dem geschilderten zunehmenden Kontroll-, Überwachungs- und Bürokratieaufwand, der keinen Wohlstand schafft, sondern nur immer mehr Ressourcen unproduktiv aufsaugt.
Genau das ist die Kernthese meines Buches „Das Ende des Wirtschaftswachstums – Kommt nun der Untergang des Abendlandes?“, das im Herbst 2023 erscheinen soll: Wenn sich das Abendland in moralischer Hinsicht abwärts entwickelt, wird auch der reale Lebensstandard für den Großteil der Menschen sinken.
Da wir uns im Abendland meiner Einschätzung nach auf diesem Pfad befinden, wird in den nächsten Jahrzehnten unsere Wohlfahrt einen Niedergang statt eines Aufstiegs erfahren. Vielleicht kommt nun gar der von Oswald Spengler vor gut 100 Jahren prophezeite Untergang des Abendlandes.
Dieser Kommentar von Christian Kreiß erschien am 3. Juni 2023 in der Epoch Times und spiegelt auch meine Meinung wider. Wir haben uns selbst in diese Lage gebracht. Entweder finden wir uns damit ab, oder wir ändern grundlegend etwas. Nur die Augen zu verschliessen wird einen wirklichen Untergang unserer bisherigen Kultur in der Zukunft wahrscheinlicher machen. Es gibt genügend Beispiele für bereits untergegangene Kulturen: Die Mayas, das römische Reich, die Griechen und Ägypter, etc.