Atommüll-Recycling

Schnellreaktor BN-800 läuft jetzt mit wiederverwertetem Reaktor-Plutonium

Der BN-800-Reaktor im russischen Kernkraftwerk Belojarsk ist nach Angaben des Nuklearkonzern Rosatom jetzt mit einer ersten Charge MOX-Brennelementen aus der Serienfertigung in Betrieb. Dieser Brennstoff enthält sowohl Reaktorplutonium, das aus den gebrauchten Brennelemente herkömmlicher Kernreaktoren gewonnen wird, als auch abgereichertes Uran, das bei der Urananreicherung als Abfall anfällt.

Die 18 MOX-Brennelemente waren bereits im August angeliefert worden und im letzten Quartal 2019 im Zuge einer größeren Inspektion in den Reaktorkern des BN-800 geladen worden. Seit dem 28. Januar 2020 ist die Anlage wieder in Betrieb.

MOX-Brennelemente mit zwei verschiedenen Atommüll-Sorten

Während herkömmlicher Kernbrennstoff aus angereichertem Uran (U-235) besteht, setzt sich MOX-Brennstoff (»Mischoxid«) aus zwei unterschiedlichen Bestandteilen zusammen: Da sind zum einen Reststoffe, die in herkömmlichen Kernreaktoren als Abfall anfallen und für die Herstellung der BN-800-Brennelemente recycelt wurden. Entscheidend unter diesen Reststoffen ist vor allem das Plutonium, das maßgeblich die Radiotoxität hochaktiver Abfälle bestimmt. Ein weiterer Bestandteil der MOX-Brennelemente ist abgereichertes Uran (U-238). Es fällt in Urananreicherungsanlagen als Abfall an und lässt sich in den üblichen Leichtwasserreaktoren nicht nutzen. In Schnellen Reaktoren können aber beide Abfallarten als Brennstoff dienen.

Reiner MOX-Kern bis Ende 2021 angestrebt

Im ersten Schritt wurden nur 18 MOX-Brennelemente in den Reaktorkern des BN-800 geladen. Betreiber Rosenergoatom und Brennstoffhersteller TVEL wollen aber noch in diesem Jahr weitere 180 dieser Brennelemente ergänzen. Bis Ende 2021 sollen sämtliche Uran-Brennelemente durch MOX-Brennstoff ersetzt sein. Der BN-800 wäre dann der erste russische Schnellreaktor mit einem reinen MOX-Kern.

Eigentlich hatte der BN-800 von Anfang nur mit MOX-Brennelemente an den Start gehen sollen. Allerdings traten an den seinerzeit noch experimentellen, handgefertigten MOX-Brennelementen technische Probleme auf. Dadurch konnte der Reaktor zunächst nicht komplett mit MOX betrieben werden. Stattdessen kam ein Hybridkern aus Uran- und MOX-Brennelementen zum Einsatz. Diese ersten MOX-Brennelemente enthielten Waffenplutonium aus ehemaligen sowjetischen Atomsprengköpfen.

Die neuen MOX-Brennelemente hingegen wurden nicht mehr manuell hergestellt. Sie stammen aus der industriellen Serienproduktion, die das Bergbau- und Chemiekombinats in Schelesnogorsk Ende 2018 aufnahm.

Vorteile einer nuklearen Kreislaufwirtschaft

Witalij Chadejew, Vizepräsident für die Entwicklung von Technologien und Industrieanlagen für den geschlossenen Kernbrennstoffkreislauf bei TVEL JSC, erläutert die Rosatom-Strategie: Ziel sei ein Zweikomponenten-Kernkraftsystem aus herkömmlichen Leichtwasserreaktoren und Schnellreaktoren sowie das Schließen des Brennstoffkreislaufs, also die Einführung einer nuklearen Kreislaufwirtschaft. Dies würde nach Chadejews Worten den verfügbaren Brennstoff für Kernkraftwerke exponentiell steigern. Außerdem sei die Wiederverwertung des gebrauchten Kernbrennstoffs anstelle einer Endlagerung möglich. Schließlich könne man die bislang ungenutzen Vorräte an Plutonium und abgereichertem Uran in den Brennstoffkreislauf einbeziehen.

Quelle: Hier veröffentlicht am 2020-01-29 von Rainer Klute

Kurze Historie zum Schnellen Reaktor BN-800 vom gleichen Autor:

30. Dezember 2013: Schneller Reaktor BN-800 wird erstmals angefahren

Wie der russische Atomkonzern Rosatom auf seiner Homepage mitteilte, hat im Kernkraftwerk Beloyarsk der erste Anfahrvorgang des neuen Blocks 4 begonnen. Das Spannende daran: Beloyarsk 4 ist das erste Exemplar eines natriumgekühlten Schnellen Reaktors vom Typ BN-800. Zwei weitere Reaktoren dieses Typs sind für das KKW Sanming in China geplant.

27. Dezember 2014: BN-800 wird erstmals kritisch

Der BN-800 im russischen Kernkraftwerk Beloyarsk ist ein sogenannter natriumgekühlter Schneller Reaktor, und er wurde am letzten Freitag erstmals kritisch, wie Russia Today meldet. »Kritisch« ist in diesem Zusammenhang etwas Gutes und bedeutet, daß der Reaktor eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion erreicht hat. Die sonst üblichen Leichtwasserreaktoren nutzen nur ein bis zwei Prozent ihres Kernbrennstoffs, der BN-800 aber rund 50 mal soviel. Das, was bei Leichtwasserreaktoren zu »Atommüll« wird, ist für den BN-800 Brennstoff. Beim BN-800 im KKW Beloyarsk kommt noch eine Spezialität hinzu: Sein Brennstoff besteht neben Uran auch aus Plutonium aus russischen Kernwaffen.

10. Dezember 2015: Der russische Schnellreaktor BN-800 hat mit der Stromproduktion begonnen

Nach eineinhalb Jahren Testbetrieb wurde der Reaktorblock 4 des Kernkraftwerks Beloyarsk mit dem Stromnetz der Region Swerdlowsk verbunden. Während herkömmliche Kernreaktoren weniger als ein Prozent des in der Natur vorkommenden Urans nutzen, können Schnellreaktoren wie der BN-800 den Kernbrennstoff fast vollständig verwerten. Gebrauchte Brennelemente herkömmlicher Reaktoren oder abgereichertes Uran sind für Schnellreaktoren kein Atommüll, sondern Brennstoff.

31. Oktober 2016: Strom aus Atommüll: Schneller Reaktor BN-800 im kommerziellen Leistungsbetrieb

Seit Diesem Tag läuft Block 4 des russischen Kernkraftwerks Beloyarsk im kommerziellen Leistungsbetrieb. Es handelt sich um einen sogenannten Schnellen Reaktor vom Typ BN-800 mit einigen Eigenschaften, die ihn vom Gros der sonst üblichen Leichtwasserreaktoren abheben.

29. Januar 2019: Schnellreaktor BN-800 läuft jetzt mit wiederverwertetem Reaktor-Plutonium

(siehe Hauptartikel oben)

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