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Es scheint Mode zu sein, den Notstand auszurufen. Nachdem Dresden den Nazinotstand ausrief, hat die Europäische Union den Klimanotstand ausgerufen. Ein Glück, sonst hätte die Notstände gar keiner bemerkt. Jetzt wissen wir es: Die Welt wird demnächst untergehen. Wegen des Klimas. Das wissen wir erst dank unserer EU-Parlamentarier. Ob sie es nun auch schaffen, sich auf nur einen Tagungsort zu einigen, um die immense CO2-Belastung durch ihr permanentes Hin-und-her-Reisen zu reduzieren?
Wetterkapriolen gibt es im Norden Deutschlands von jeher, ohne dass jemand auf die Idee gekommen wäre, den Klimanotstand auszurufen. Der Hiddenseer Meteorologe Stefan Kreibohm hat mit drei anderen Forschern unlängst eine Chronik spektakulärer Wetterkapriolen seit dem 11. Jahrhundert vorgelegt. Hier ein paar aufschlussreiche Auszüge aus Rügens Wetterchronik:
1118 Noch im Juni fand man Eis
1186 Im Januar blühten die Bäume, die Vögel begannen zu brüten, Ernte im Mai
1290 Im Februar blühten die Erdbeeren
1346 Erster Frost im September
1397 An der Ostsee beginnt die Ernte schon im Mai
1426 Durch die Hitze im Sommer „starben mehr Menschen als durch das Schwert der Feinde“
1451 Im Eiswinter fuhr man mit dem Pferdeschlitten von Stralsund über die Ostsee nach Dänemark
1509 Dürre ließ Flüsse, Teiche und Brunnen austrocknen
1530 So kalter und nebliger Sommer, dass man jeden Tag heizen musste
1625 Jahrtausendflut mit Wasserständen von 3,50 m bis 3,80 m über normal
1643 Am 17. Oktober fiel „ellenhoher“ Schnee
1694 Am 10. August fiel in Stralsund Hagel, so groß wie Hühnereier
1703 Ein Orkan riss die Kirchturmspitzen in Gingst und Samtens ab
1725 Einem eisigen Winter folgte eine Dürre
1816 Ein Jahr ohne Sommer nach einem Vulkanausbruch in Indonesien
1872 12./13. November schwere Sturmflut überspült die Insel Hiddensee
1892 Dauerfrost von Weihnachten bis Mitte Februar bis minus 30 grad
Silvester 1978/79 versank der ganze Nordosten im Schnee mit einem verheerenden Blackout
Das Forscherteam sichtete historische Zeitzeugenberichte aus Archiven und Kirchenbüchern, untersuchte gar die Jahresringe sehr alter Bäume, die in Kirchendachstühlen verbaut waren.
Zu lesen sind die dazugehörigen Geschichten über historische Wetterkapriolen von Ostholstein bis Pommern in „Rügens Wetterchronik“ (Verlag Rügendruck; [email protected]; 264 Seiten; 19.90€). Das Buch beschreibt überlieferte strenge Winter im 11. Jahrhundert, harte Winter im Dreißigjährigen Krieg 1618, als auch noch die Pest wütete, bis zum Hochwasser vom 4. und 5. Januar 2017, das längst vergessen ist.
Und was machten die Leute früher, anstatt den Notstand auszurufen? Ärmel hochkrempeln und anpacken. Nicht jammern, machen. Zusammenstehen. Durchhalten. Improvisieren. Teilen. Helfen.
Quelle: Manfred Haferburg / 01.12.2019