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Wenn es etwas gibt an Angela Merkel, das selbst den schärfsten Kritikern Respekt abnötigt, ist es ihr Durchhaltevermögen. Damit ist nicht ein längerfristiger Plan gemeint, den die Kanzlerin über die Zeit und gegen Widerstände verfolgen würde. Zum Beispiel aus innerer Überzeugung. Das ist nicht der Fall. So etwas wie ein festes Wertegerüst, eine gesicherte Position, eine unerschütterliche Haltung war bei Merkel nie zu erkennen. Ihr Regierungshandeln war von Beginn an situationsbedingt und demoskopiegetrieben, mit teils bizarren Wandlungen und Wendungen in kürzester Zeit. Herausragendes Beispiel ist die Atompolitik.
Die legendäre Beharrungsstärke der promovierten Physikerin ist rein physischer Natur. Die Frau hat Steherqualitäten der anderen Art. Sie kann länger sitzen. Selbst nach ihrer Hinternfraktur Anfang 2014 – ein Missgeschick, das auf Twitter humoristisch wertvoll als „Po-Falla“ klassifiziert wurde – büßte sie nichts von ihren Fähigkeiten ein, wie sich im Folgejahr zeigte. Beim finalen Showdown anlässlich der Griechenlandkrise erlangte die Inselbegabung des Kanzlerinnengesäßes Weltruhm.
Merkel zermürbte die Verhandlungspartner in Nachtsitzung um Nachtsitzung, bis die Hellenen sich Mitte 2015 endlich ihrer Rettung ergaben. „Rettung“ hieß in diesem Fall, dass die EU unter deutscher Führung dem dysfunktionalen Fakelaki-Staat hunderte Milliarden Euro rektal verabreichte. Es waren notdürftig getarnte Geschenke, die man Kredite nannte, „alternativlos“, versteht sich, versehen mit Rückzahlungsfristen bis zur nächsten Eiszeit. Beziehungsweise bis zur nächsten Heißzeit, nämlich 2050, wenn die Menschheit nach gesicherten Erkenntnissen von 99,5 Prozent aller Philologen und Theaterwissenschaftler eine globale Wiedervereinigung in brodelnder Ursuppe erfahren haben wird.
Zwecks besserer Verkaufe der Entscheidungen gegenüber der Öffentlichkeit zog man einen weiteren Nebelring um die illegale Hilfsmaßnahme: Die anderen EU-Staaten übernahmen Bürgschaften. Dieses Konstrukt hatte den Vorteil, dass die rund 85 Milliarden Euro, mit denen seither zum Beispiel hiesige Steuerzahler für griechische Korruption und Misswirtschaft haften, nicht im deutschen Staatshaushalt auftauchen – ein juristisch-buchhalterischer Trick, mit dessen Hilfe man festen Blickes behaupten konnte, Deutschland habe noch keinen einzigen Euro wegen der Pleitegriechen aufwenden müssen.
Das ist richtig. Irgendwie. Ungefähr so richtig, wie es ein alter Witz auf den Punkt bringt: Ein Optimist ist jemand, der vom Hochhaus springt und auf Höhe der ersten Etage ausruft: „Bisher läuft es super!“ Nachdem Angela Merkel den Verstoß gegen die No-Bailout-Klausel der EU-Verträge erfolgreich abgeschlossen hatte, gönnte sie ihrem strapazierten Sitzfleisch im August 2015 eine kurze Auszeit. Anschließend wandte sie sich der nächsten Großtat zu.
Die bestand darin, die Völker dieser Welt einzuladen, sich an den unerschöpflichen Füllhörnern des deutschen Wohlfahrtsstaates zu laben. Auch im Zuge der „Flüchtlingskrise“ waren wieder elend lange Sitzungen angesagt, mit noch weit unerfreulicheren Folgen als beim Griechenlanddebakel.
Die Kanzlerin war offenkundig der Auffassung, die Globalisierung bundesrepublikanischer „Vereinsgüter“ (© Prof. Hans-Werner Sinn), speziell der Sozialkassen, sei nicht weit genug vorangeschritten. Und so verfügte die größte deutsche Weltpolitikerin seit Adolf dem Eineiigen in der Schicksalsnacht vom 4. auf den 5. September 2015 umfassende Einreisefreiheit – eine freundliche Geste, die die Schonlängerhierzahlenden seither mit zusätzlichen 30 bis 50 Milliarden Euro unterfüttern dürfen. Pro Jahr, wohlgemerkt.
Die Besonderheit beim Übergang von Griechenrettung zu Weltrettung war, dass es nicht mehr nur um abstrakte Zahlen ging. Zahlen perlen an der großen Mehrheit der Bevölkerung erfahrungsgemäß ab wie Novemberregen an der Funktionsjacke. Die Migrationswelle machte Zahlen erfahrbar. Rund zwei Millionen Fachkräfte mit zweifelhafter Identität und reichlich Tagesfreizeit erinnern die Alteingesessenen nunmehr täglich in Parks und Bahnhofsumfeld daran, worin der tiefere Sinn ihres Erwerbslebens besteht.
Die Preisgabe des Staatsgebietes war die bisher folgenreichste Errungenschaft der Ära Angela. Sie war Vitaminspritze für die dahinsiechende AfD und Auftakt zum Niedergang der Volksparteien. Sie sorgte für die Isolation Deutschlands in der EU und gab den Ausschlag bei der knappen Austrittsentscheidung der Briten. Nebenbei verloren erhebliche Teile der einheimischen Bevölkerung ihr Restvertrauen in die gewählten Vollstrecker des Volkswillens und vorgeblichen Bewahrer des Volksvermögens. Ganz zu schweigen davon, dass mittlerweile alle, die nicht jeden Grenzüberschreiter willkommenstrunken mit Stofftieren bewerfen, in direkte Rechtsnachfolge Heinrich Himmlers gestellt werden.
In der Folge gab es diverse weitere Nachtsessionen. Breite Aufmerksamkeit fanden sie erst wieder, als sich nach der Bundestagswahl 2017 die „Sondierungen“ mit FDP und Grünen über Wochen hinzogen. Bei dieser Gelegenheit erlitten Merkels Marathon-Meetings Kratzer im öffentlichen Ansehen. Die bockige FDP machte der Freundin der Nacht einen Strich durch die Rechnung. Erstmals konnte die Kanzlerin keinen erfolgreichen Abschluss ihrer Zersitzungstaktik vermelden.
Andererseits war allen nicht komplett chloroformierten Beobachtern zu diesem Zeitpunkt ohnehin längst klar: Aus durchwachten Kanzlerinnen-Nächten erwächst nie Gutes. Der nächste Meilenstein in der Geschichte Merkelscher Dunkelflauten war das Pillepalle-Klimapaket von Ende September 2019. In den frühen Morgenstunden des ersten globalen „Klimastreik“-Tages beschloss die kleinste Große Koalition aller Zeiten einen Maßnahmenkatalog, den die einen als unzureichend empfanden, die anderen als überflüssig und niemand als gut und richtig. Den lauen Kompromiss brauchte keiner außer einer: Angela Merkel.
Für die obligatorische vorangegangene Nachtsitzung gab es nicht einmal mehr den Versuch einer sachbezogenen Rechtfertigung. Erst drei Tage später wurde klar, warum die Kanzlerin so einen Druck aufgebaut hatte. Es ging darum, dass Merkel sich beim New Yorker Klimagipfel als Weltretterin beklatschen lassen konnte. Ohne regierungsamtlich beschlossenes Klimaprogramm hätte sie nicht reden dürfen.
Was im allgemeinen Klimawahn vor zwei Monaten unterging: Merkel hatte sich die Zustimmung zu ihrem Heißluftpäckchen beim Koalitionspartner teuer erkauft. „CDU und SPD nähern sich bei Grundrente an“, lautete die kaum beachtete Meldung. Offiziell wurde erst vor zwei Wochen Vollzug gemeldet – erneut nach einer komplett überflüssigen Nachtwache. Schließlich hatte man sich längst im Zuge der Prima-Klima-Sitzung auf die wesentlichen Eckpunkte verständigt. Hubertus Heils Leuchtturmprojekt, die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung, kommt, wir ahnten es bereits im Februar. Und sie kommt grundfalsch, wie so vieles in der Regentschaft Merkel.
Damit wir uns richtig verstehen: Der Ausgangspunkt ist nachvollziehbar. Es geht um Angestellte, die lange Jahre gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt haben, die aber trotzdem nicht ausreichend Rentenpunkte ansammelten, um Altersbezüge oberhalb der Grundsicherung zu erhalten. Diese Menschen sollten bessergestellt werden als solche, die nie oder nur kurz sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren und im Alter ebenfalls auf den Wohlfahrtsstaat angewiesen sind.
Die Lösung für diesen breit anerkannten und seit Jahren auf der To-do-Liste befindlichen Missstand war im Koalitionsvertrag (Seite 92) vom März 2018 folgende Vereinbarung: Menschen, „die 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung bzw. Pflegezeiten aufweisen“, sollten in Zukunft eine sogenannte Grundrente erhalten. Wesentliche Einschränkung: „Voraussetzung für den Bezug der Grundrente ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung.“
Wir halten fest: Erstens war die sogenannte Grundrente im Koalitionsvertrag eindeutig als Sozialleistung definiert. Erhalten sollten sie nur Bedürftige, nicht solche, die zum Beispiel über einen beamteten Ehepartner oder eine elterliche Erbschaft oder angespartes Vermögen aus selbstständiger Tätigkeit abgesichert waren. Zweitens war die nächtens und in offensichtlicher Umnachtung ausgehandelte Maßnahme offenkundiger Unsinn, weil sie systemwidrig und ungerecht ist. Mit den „35 Jahren“ hatte man eine rein willkürliche Grenze gezogen. Und was ist Willkür? Genau. Das Gegenteil von Gerechtigkeit.
Mit der Formulierung im Koalitionsvertrag von 2018 wird plötzlich unerheblich, wie viel jemand geleistet hat. Es zählt nur noch, wie lange der oder die Betreffende sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Koalitionspartner legten für einen Teil der Kleinrentner damit das fest, was die Regierungschefin selbst zur Kunstform erhoben hatte: Hauptsache aussitzen, egal, was dabei herauskommt.
Der Koalitionsvertrag machte gleich, was nicht gleich war. Und er machte ungleich, was nicht ungleich war. Warum soll eine Reinigungskraft nach 35 Jahren Vollzeitarbeit genauso behandelt werden wie ihre Kollegin, die im selben Zeitraum mit einem Halbtagsjob nur die Hälfte fürs Rentensystem erwirtschaftete? Warum soll eine Arztgattin, die 35,01 Jahre in der Praxis aushalf, in den Genuss einer Grundrente kommen, während eine Krankenschwester leer ausgeht, die in 34,99 Jahren ebenso viel in die Rentenkasse zahlte?
Die Schwächen der Koalitionsvereinbarung waren eklatant und offensichtlich. Ein verantwortungsvoller Politiker hätte diesen Dummfug in der praktischen Umsetzung korrigiert. Nicht so Hubertus Heil. Der neue Arbeits- und Sozialminister und damit offizieller Rächer der Enterbten entschied sich für einen konsequent sozialdemokratischen Weg. Er übernahm das Falsche und machte es falscher.
Heil taufte die geplante Sozialmaßnahme „Grundrente“ in „Respektrente“ um und hämmerte der Öffentlichkeit in unzähligen Talkshows ein, die Renten-Minderperformer seien die eigentlichen „Leistungsträger, die dieses Land zusammenhalten“. Eine fiktive, „hart malochende“ Friseurin mit jahrzehntelangem Mindestlohn war plötzlich das Maß aller Dinge.
Dieser unterdrückten, bemitleidenswerten, am deutschen Haupthaar prekär tätigen und gleichwohl tragenden Säule hiesiger Wirtschaftskraft sei eine Bedürftigkeitsprüfung nicht zuzumuten, befand Heil. Das sei eine Frage des Respekts. Dass ansonsten jedem Hartz-Empfänger und jedem Selbstständigen ebenso respektlos zugemutet wird, sich mindestens im Jahresturnus vor den Behörden nackig zu machen, vergaß der Heilsbringer zu erwähnen.
Die Union, selbsternannte politische Mitte, Hüterin der Vernunft, Hort der Aufrichtigkeit, letzte Verfechterin von Good Governance, verweigerte sich selbstredend dem asozialen Ansinnen des sozialdemokratischen Sozialministers. Standhaft und lautstark erklärte man, dem Wegfall der Bedürftigkeitsprüfung werde man niemals zustimmen. Denn erstens sei dies falsch, zweitens viel zu teuer und drittens anders als vereinbart.
Anschließend lief es wie gewohnt. Nach Ablauf einer angemessenen Schamfrist von einem guten halben Jahr knickte die prinzipienfeste Union ein. Es gibt eben Wichtigeres als sture Besserwisserei. Zum Beispiel übergeordnete staatliche Interessen. Zu diesen zählt zuvörderst, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt, so lange wie möglich und koste es, was es wolle. Deshalb stützte man Olaf Scholz, der sich den Heil-Plänen angeschlossen hatte und dem man unbedingt Hilfestellung bei seinem innerparteilichen Wahlkampf leisten musste, auf dass nur ja nicht die Koalition in Gefahr gerate.
Man schloss also einen „Kompromiss“ – der natürlich keiner war, sondern eine Unterwerfung. Den Kompromiss hatte man schließlich bereits mit dem Koalitionsvertrag ausgehandelt. Nun einigte man sich auf eine bloße Einkommens- statt einer Bedürftigkeitsprüfung, was die Zahl der Bezugsberechtigten ungefähr verfünffacht: von geschätzten 300.000 auf geschätzte 1,5 Millionen Empfänger.
Die Kosten werden nach Koalitionsaussagen jährlich bei angeblich etwa 1,5 Milliarden Euro liegen. Bei angeblich 1,5 Millionen künftigen Grundrentenbeziehern ergibt das im Schnitt je 1.000 Euro pro Jahr, also schmale 83 Euro im Monat, was selbst mit Bremer Abitur einigermaßen leicht auszurechnen ist. Tatsächlich soll der Rentenaufschlag aber bis zu 448 Euro monatlich betragen. Bereits diese Diskrepanz legt nahe, dass die Grundrente in der Praxis viel teurer werden wird – wie alle anderen Sozialgeschenke der vergangenen Jahre, bei denen die realen Kosten die geplanten Ausgaben jedes Mal weit überstiegen.
Ganz gleich, ob Hubertus Heils Respektlosigkeit gegenüber der steuergeschundenen Bevölkerung nun jährlich 1,5 oder 4,5 Milliarden oder noch mehr ausmachen wird – entscheidend für die Beurteilung dieser hoheitlichen Gabe ist etwas anderes (und nur deshalb nimmt sie hier so breiten Raum ein): Die „Respektrente“ steht beispielhaft, geradezu prototypisch für Merkelsches Regierungshandeln. In der beschlossenen Ausgestaltung ist sie von vorn bis hinten Murks. Sie ist ungerecht (nebenbei: aus diesem Grund auch verfassungsrechtlich zweifelhaft), wurde aufgrund sachfremder Erwägungen durchgedrückt und ist in hohem Maße ineffizient.
Selbst nach Regierungsangaben wird die Grundrente zu 80 Prozent an Empfänger versprüht werden, die die freundliche Aufmerksamkeit zwar gerne mitnähmen, aber nicht benötigen. Umgekehrt: Nur zu 20 Prozent wird die Sozialmaßnahme der eigentlichen Zielgruppe zugutekommen, nämlich Bedürftigen. Die auf der Hand liegende Frage an Hubertus Heil, was denn bitte daran sozialdemokratisch sein soll, wenn eine vorgebliche Notlinderung zu vier Fünfteln Nichtnotleidenden oder gar Wohlhabenden zukommt, blieb aus. Die regierungstreue Medienlandschaft verhielt sich erwartungsgemäß kooperativ.
Damit sind wir beim Kernproblem, das die Ära Angela kennzeichnet, beim roten Faden, der sich durch ihre Kanzlerschaft zieht: Verschwendung. Nichts anderes ist das, was technokratisch-neutralisierend gerne als „mangelnde Effizienz“ bezeichnet wird. Unabhängig davon, wie man die weitreichenden Entscheidungen der Regierungschefin im Einzelnen inhaltlich bewerten mag, eines ist unbestreitbar: Ihre Beschlüsse kosteten fast immer x- oder zig- oder hundertfach mehr, als notwendig oder angemessen war.
Beispiel Migrationspolitik: Die unkontrollierte Aufnahme minderqualifizierter Zuwanderer belastete die Mehrer des Bruttoinlandsprodukts seit Anfang 2015 bis Ende 2019 mit mindestens 200 Milliarden Euro. Ein Bruchteil dieser Summe hätte ausgereicht, dieselbe Anzahl von Personen in heimatnahen Gebieten zu unterstützen – mit dem erfreulichen Nebeneffekt, dass auch noch die Fehlerquote minimiert worden wäre. In den Flüchtlingslagern befanden sich nämlich echte unter Krieg und Verfolgung Leidende, während hierzulande hunderttausende Pseudoflüchtlinge in den Genuss staatlicher Segnungen kommen. Bis heute gelingt es der Regierung nicht, einen nennenswerten Teil der Ausreisepflichtigen abzuschieben.
Die Gesamtkosten der merkelesken Reisefreiheit sind enorm. Der Rentenexperte Bernd Raffelhüschen errechnete bereits Ende 2015 ein langfristiges Volumen von rund 900 Milliarden Euro für zwei Millionen über das Asylsystem Zuwandernde – und zwar unter eher optimistischen Annahmen. Das entspricht einem Nettoaufwand der hiesigen Bevölkerung von sagenhaften 450.000 Euro für jeden, der beim Grenzübertritt das Zauberwort „Asyl“ ausstößt.
Oder die Klimapolitik: Wie auch immer man grundsätzlich zur „Energiewende“ und dem überstürzten Atomausstieg steht, die bisherige Bilanz ist erschütternd. Wind und Sonne lieferten 2018 nicht einmal fünf Prozent des Gesamtenergiebedarfes – und das trotz gewaltiger Anstrengungen. Bereits vor drei Jahren titelte die „Welt": „Energiewende kostet die Bürger 520.000.000.000 Euro – erstmal“. In Worten: fünfhundertzwanzig Milliarden.
Weitere drei Jahre zuvor hatte Peter Altmaier, damaliger Umweltminister und angelanische Allzweckwaffe, bereits in erstaunlicher Offenheit verkündet, die Kosten der Energiewende könnten sich „bis Ende der 30er Jahre dieses Jahrhunderts auf rund eine Billion Euro summieren“. In anderen Worten: eintausend Milliarden Euro. Fazit des damaligen „Welt“-Artikels: Das „Billionen-Ding“ könne „sogar früher Wirklichkeit werden“, als selbst Altmaier geglaubt hatte.
Die Fehler in Migrations- und Klimapolitik, die verschleppte Eurokrise, die verschleierten wahren Kosten der Griechenlandrettung, das Delegieren der Eurorettung an die EZB und der damit einhergehende Zinsverlust deutscher Sparer, die versteckten Schulden durch zukünftige Verpflichtungen im Renten- und Sozialbereich – Aufstockung der Mütterrente, Rente mit 63, Grundrente, höhere Pflegeleistungen – all das und einiges mehr summiert sich zu einer gewaltigen Belastung.
Die Gesamtkosten Merkelscher Politik schätzte der Ökonom Daniel Stelter bereits 2018 in einer „Cicero“-Titelstory (Bezahlschranke) auf mehrere Billionen Euro:
„Noch nie dürfte in Friedenszeiten so viel Wohlstand vernichtet worden sein wie von den Regierungen unter der Führung Angela Merkels. Die Lasten, die in den zurückliegenden 13 Jahren zusätzlich geschaffen wurden, betragen geschätzt zwischen 3.700 und 4.700 Milliarden Euro, die langfristigen Kosten könnten noch darüber liegen. Diese Kosten kommen zusätzlich zu den Lasten, die sich aus der Alterung der Gesellschaft ohnehin ergeben und für die keine Regierung der letzten 40 Jahre vorgesorgt hat.“
Damit würde Angela Merkel sogar die Ausgaben für die historische Ausnahmesituation Wiedervereinigung toppen (je nach Schätzung kostete die bis 2014 zwischen 1.300 und 2.000 Milliarden Euro). Eine schlechtere Bilanz hat kein Kanzler seit Gründung der Bundesrepublik aufzuweisen.
„Niemandem wird etwas weggenommen“, lautet die besonders gerne speziell im Zusammenhang mit den Migrationskosten mantraartig wiederholte Beteuerung von Regierungsseite. Eine ebenso falsche wie freche Aussage. Steuern und Abgaben sind keine der exekutiven Willkür unterworfene freie Verfügungsmasse. Es handelt sich um Eigentum der Allgemeinheit, das die gewählten Vertreter des Volkes höchst sorgsam zu verwalten haben. Theoretisch.
Durch Fehlentscheidungen, Ineffizienz und anderweitige Verschwendung wird allen etwas weggenommen oder vorenthalten, zum Beispiel Geld, Bildung, Infrastruktur, Sicherheit. Was an einer Stelle zuviel ausgegeben wird, fehlt an anderer Stelle. Fällige Steuerentlastungen oder Rentenerhöhungen finden nicht statt, für mehr Lehrer oder Polizisten ist das Budget zu knapp, Brückensanierungen werden verschoben, und ganze Regionen leiden weiterhin an Internet im Schneckentempo.
Angesichts der Dimensionen staatlichen Prassens zum Wohle des Machterhalts erscheinen ein paar zusätzliche Milliarden jährlich für die Grundrente wie Peanuts. Aber Kleinvieh macht auch Mist – und vor allem beweist dieses jüngste Beispiel, dass Angela Merkel, größte Sozialdemokratin seit August Bebel, keinerlei Anstalten zeigt, sich von ihrer Linie des freizügigen Umgangs mit dem Vermögen der Untertanen zu verabschieden.
Diese Erkenntnis treibt nicht wenige in der CDU um. Ausgerechnet die Grundrente haben sie nun zum Knackpunkt erhoben, um ihre Kanzlerin in die Schranken zu weisen. Dabei geht es nicht so sehr um die – auch in der Union höchst umstrittene – Rentenmaßnahme selbst, sondern vor allem um ein Zeichen. „So nicht!“, soll das Signal lauten, denn die zunehmend von den Wählern und allen guten Geistern verlassenen Sozialdemokraten stehen längst mit den nächsten Forderungen auf der Matte. Die neuesten Säue, die durchs ergeben speichelnde Mediendorf getrieben werden, heißen „Kindergrundsicherung“ und „Erhöhung des Mindestlohns“.
Bevor zum Ende der Legislatur die Frage gestellt wird, ob sich statt SPD und Linken nicht besser SPD und CDU/CSU zur letzten echten Volkspartei vereinigen sollten, wollen also ein paar aufrechte Unionsrebellen gegensteuern. Wie das funktionieren soll, erläuterte der einflussreiche CDU-Abgeordnete Christian von Stetten, Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion, in bemerkenswerter Offenheit einen Tag vor Beginn des CDU-Parteitags bei Markus Lanz.
Die Grundrente soll laut Koalitionsbeschluss schließlich zum größten Teil aus einer Börsenumsatzsteuer finanziert werden, die bisher nur in der Phantasie der sozialdemokratischen Glimmer Twins Hubertus Heil und Olaf Scholz existiert. Die Einführung dieser Steuer bezweifelt Merz-Anhänger von Stetten und prophezeit daher zur Grundrente (hier ab 35:16): „Jetzt hat man ein Modell beschlossen, das so nie kommen wird.“ Die CDU werde nämlich darauf bestehen, dass die vereinbarten Voraussetzungen für die Grundrente erfüllt sein müssen.
Wenn sich Merkel-Kritiker von Stetten da mal nicht täuscht. Die Erfahrung lehrt etwas anderes. Wenn es hart auf hart kommt, wird sich die Fürstin der Finsternis wie üblich auf die dunkle Seite der Macht begeben. Ein, zwei Nachtsitzungen, und schon wird das Gesäß der Kanzlerin auch für dieses Problemchen einen „Kompromiss“ gefunden haben. Wie immer der aussehen wird – eines darf man ohne seherische Fähigkeiten vorhersagen: Er wird teuer werden.
Quelle: Robert von Loewenstern / 28.11.2019